«Zur Ruhe kommen.»

Grusswort zum Eidgenössischen Dank-, Buss- und Bettag vom 18. September 2016 / Es gilt das gesprochene Wort.

«Zur Ruhe kommen.»

«Die Ruhe der Seele ist ein herrliches Ding und die Freude an sich selbst.» Offenbar ist auch Johann Wolfgang von Goethe der Meinung gewesen, dass es erstrebenwert sei, zur Ruhe zu kommen.

Liebe Vertreterinnen und Vertreter aus den Kirchen der Ökumene, geschätzte Damen und Herren!

«Zur Ruhe kommen.» So lautet das Motto zum heutigen Eidgenössichen Dank-, Buss- und Bettag. Jetzt fragen Sie sich vielleicht, was ich als Stadtrat hier vorne verloren habe. Die Erklärung ist kurz und einfach. Schliesslich handelt es sich um einen staatlich angeordneten, überkonfessionellen Feiertag. In seiner heutigen Form ist der Dank-, Buss- und Bettag auf die Gründung der Eigenossenschaft zurückzuführen, als es darum gegangen ist, die politisch und konfessionell stark fragmentierte Schweiz wieder zusammenzuführen.

Vor einem Jahr haben sich die lokalen Kirchen auf diesen politischen Hintergrund berufen und den Stadtrat eingeladen, ein Grusswort zu überbringen. Ich habe mich dann angesprochen gefühlt. Nicht etwa, weil wir in unserem stadträtlichen Ressortsystem einen Bereich Religion hätten. Sondern weil die Kirchen und ihre Mitarbeitenden eine wichtige soziale Funktion wahrnehmen. So darf ich als Ressortvorsteher Bildung und Soziales in verschiedenen Bereichen mit den Kirchen zusammenschaffen. Sei es in der Jugendarbeit, wo am vergangenen Mittwoch hier in Zofingen ein regionaler Vernetzungsanlass stattgefunden hat. Sei es bei der Integration von Asylsuchenden und vorläufig Aufgenommenen, wo sich die Kirchen unter anderem stark für das Vermitteln von unserer Landessprache einsetzen. Die Stadt Zofingen schätzt das Engagement sehr und ich darf bei dieser passenden Gelegenheit allen Beteiligten im Namen des Stadtrates einen grossen Dank aussprechen. Damit bin ich wieder zurück beim heutigen Feiertag und dem Motto «Zur Ruhe kommen.»

Ruhe und eine gewisse Gelassenheit braucht es nämlich auch in der Politik. Das ist nicht so einfach, wenn man bedenkt, dass die Gesetze immer umfassender, die Themen immer komplexer und damit die Herausforderungen immer grösser werden. Manchmal würde es sich lohnen, im Tagesgeschäft oder in der politischen Auseinandersetzung innezuhalten und Ruhe zu bewahren, sich auf die Problemlösung zu fokussieren und den anderen zuzuhören. Das ist übrigens ganz im Sinn vom heutigen Feiertag, der von Anfang an das Ziel verfolgt hat, den Respekt vor dem politisch und konfessionell Andersdenkenden zu fördern. Allerdings gibt es diese Erkenntnis schon viel länger. So hat beispielsweise der römische Epiker Ovid festgestellt: «Was ohne Ruhepausen geschieht, ist nicht von Dauer.» Dabei suchen wir gerade in der heutigen Zeit mehr denn je nach dauerhaften Lösungen – Nachhaltigkeit als Stichwort!

Zum Abschluss meiner einigermassen kurzen Grussbotschaft erlaube ich mir, noch ein paar allgemeine Überlegungen anzustellen. Denn nicht nur die Politik ist anspruchsvoller geworden. Das gilt nämlich auch für den Alltag, der immer dynamischer und hektischer wird. Diese Entwicklung hängt nicht zuletzt mit dem technischen und digitalen Fortschritt zusammen. Als Paradebeispiel bietet sich aktuell natürlich das Smartphone an, das immer mehr in unseren Leben eindringt – und das schon bei den Schulkindern. Als meine ältere Tochter nach einer Woche wieder einmal ihr Handy aufgeladen hat, hat sie auf einmal 792 neue Nachrichten gehabt. Wenigstens hat sie sieben Tage freiwillig darauf verzichten können. Auch ich habe mich schon oft dabei ertappt, wie ich in einer eigentlich ruhigen Sekunde im Lift oder einer ruhigen Minute beim Warten am Bahnhof mit dem Smartphone Nachrichten verschicke oder meine E-Mails abrufe. Verstehen Sie mich nicht falsch. Ich will diese Errungenschaften nicht schlecht reden. Aber sie zeigen uns, dass es wichtiger denn je ist, zur Ruhe zu kommen. Oder wie es die Jugendlichen sagen würden: cool zu bleiben oder zu chillen. Oder gehobener ausgedrückt in den Worten von Seneca, einem weiteren römischen Dichter: «In Ruhe Wurzeln schlagen kann nur, wer aufhört, sich ständig umzuschauen und herumzuziehen.»

Geschätzte Anwesende! Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit und wünsche Ihnen im Namen des Stadtrates einen ruhigen, erholsamen Dank-, Buss- und Bettag. Und dazu noch ein letztes Zitat des Komponisten Ravel: «Die grösste Kraft auf der Welt ist das Pianissimo».

 

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